Überforderte Schweizer – aber kein Grund zur Sorge
Ein grosser Sieg gegen Finnland (3:1), eine schmähliche Niederlage gegen Schweden (3:8) und chancenlose Ratlosigkeit gegen Tschechien (0:4). Es gibt eine boshafte Analyse dieses vorletzten Tests vor dem olympischen Turnier. Der Donnerstag war ein Arbeitstag. Also arbeiteten die Schweizer hart und siegten gegen Finnland. Der Samstag und der Sonntag sind Feiertage, an denen nicht gearbeitet wird. Also sind die Niederlagen gegen Schweden und Tschechen am Samstag und Sonntag logisch. Aber so ist es natürlich nicht. Ganz und gar nicht.
Die Erklärung für den starken Leistungsabfall im zweiten und dritten Spiel ist nicht kompliziert: Die Finnen pflegten ein eher defensiv ausgerichtetes Schönwetter-Hockey mit lauem Forechecking und verhältnismässig geringer Intensität. Wie sanfter Landregen. Die Schweden und Tschechen setzten die Schweizer hingegen von allem Anfang an mit intensivster Störarbeit unter maximalen Druck. Wie ein stürmisches Hagelwetter, das erst in der zweiten Hälfte der sonntäglichen Partie gegen Tschechien (da stand es schon 0:4) etwas nachgelassen hat. Diese Intensität gibt es in unserer Lauf- und Tempoliga nur ausnahmsweise.
Ein Grund zur Sorge sind die beiden Niederlagen deshalb nicht. Es waren in Tampere nur acht aktuelle WM-Silberhelden dabei. Die Schweiz hat von den Titanen des Welthockeys die mit Abstand schmalste Basis. Das war schon immer so und wird immer so bleiben. Mehr als vielleicht 20 Schweizer hat es in unserer Liga nicht, die robust genug sind, um auf internationalem Niveau drei solche Spiele in vier Tagen auszuhalten. Es fehlte nicht am guten Willen und an Leidenschaft. Zu viele waren einfach überfordert. Sie gaben sich redlich Mühe und viele hatten reichlich Mühe. Mit der Härte und teilweise auch mit dem Tempo.
Bis zum 31. Dezember muss Patrick Fischer sein Aufgebot fürs olympische Turnier (6. bis 22. Februar) machen. Auf der Basis seiner Erkenntnisse aus dem Turnier von Tampere und dem letzten Test beim Euro Hockey Turnier in Zürich gegen die gleichen drei Gegner (11. Bis 14. Dezember). Im Olympiateam wird es neben den NHL-Stars voraussichtlich zehn bis zwölf Plätze für die Stars aus der heimischen Liga geben.
Ein wenig wirkt der Nationaltrainer am frühen Sonntagabend im Bauch der Nokia-Arena nach dem 0:4 gegen Tschechien ratlos. Freundlich wie immer. Aber er kann seine Enttäuschung über den Gesamtauftritt für einmal mit seiner Eloquenz (= Wortgewandtheit) nicht ganz kaschieren und bilanziert fast resignierend: «So ist es im November halt oft.» Immerhin habe er ein paar Erkenntnisse im Hinblick aufs Olympia-Aufgebot gewonnen: «Es gibt einige Sieger.»
Namen nennt er wohlweislich keine und sagt, er wisse auch noch nicht, welche Spieler aus dem Tampere-Team für den Dezember-Termin in Zürich erneut aufgeboten werden.
Ein zentraler Faktor für die Olympia-Tauglichkeit: Robust sein, um eine Intensität auszuhalten, die viel höher sein wird als in der heimischen Liga und noch einmal höher als jetzt in Tampere.
So gesehen gibt es fünf Spieler, die sich die olympischen Tage im Februar freihalten sollten. HCD-Verteidiger Michael Fora sowie vier Stürmer: Gottérons schlauer, zäher Vorkämpfer Christoph Bertschy, Gottérons Spielmacher Sandro Schmid, Lausannes Ken Jäger und Luganos Leitwolf Calvin Thürkauf. Er ist zwar im Spiel gegen Finnland durch eine Sehnenverletzung am Ellenbogen, die er sich durch eine unglückliche Bewegung beim Bully ohne gegnerische Einwirkung zugezogen hat, ausgefallen. Er dürfte aber zeitnah wieder spielen können und seine internationale Tauglichkeit steht nicht zur Debatte.
Gute Aussenseiterchancen haben HCD-Stürmer Simon Knak und Gottérons Powerflügel Attilio Biasca, der krankheitshalber am Sonntag nicht mehr eingesetzt worden ist. Beide haben die erforderliche Postur und Knak ist überdurchschnittlich schnell und schlau.
Und Reto Berra? Er hatte mit der grandiosen Leistung gegen Finnland eigentlich das Olympia-Ticket gelöst. Aber versäumt, es bereits hier in Tampere abzuholen: Gegen Tschechien war auch er hinter defensiv hasardierenden Vordermännern – wie zuvor Sandro Aeschlimann gegen Schweden – nur noch ein gewöhnlicher Goalie und kassierte in der ersten Spielhälfte vier Treffer. In Tampere hat das Team die Goalies gemacht und nicht umgekehrt. Sandro Aeschlimann hat es gut erklärt: «Wenn Zuordnungen in der eigenen Zone durcheinandergeraten, wird es schwierig, das Spiel zu lesen.»
Die Torhüter sind heute mehr denn je darauf angewiesen, das Spiel lesen zu können. Nur so sind sie dazu in der Lage, die Pucks zu parieren, die immer härter, präziser und schneller (Direktschüsse) abgefeuert werden. Sowohl gegen Schweden (Aeschlimann) wie in der ersten Hälfte gegen Tschechien (Berra) waren unsere Torhüter beim Versuch, das Spiel zu lesen, weitgehend blind. Zeitweise ähnelte das Defensivsystem einem Schnittmuster aus «Meyers Modeblatt».
Wenn Akira Schmid aus der NHL kommt, dann muss einer aus dem Quartett Leonardo Genoni, Stéphane Charlin, Reto Berra und Sandro Aeschlimann zu Hause bleiben. Für den HCD-Goalie gibt es einen versöhnlichen Abschluss: Er bestritt die zweite Hälfte der Partie gegen Tschechien und liess keinen Gegentreffer zu.
P.S. Schweden wird sein Olympia-Team aus NHL-Spielern bilden. Die Finnen werden voraussichtlich nur einen Spieler aus Europa für das olympische Turnier nominieren. Kandidat Nummer 1 ist ZSC-Verteidiger Mikko Lehtonen. Er ist Captain und Leitwolf des finnischen Nationalteams hier in Tampere. Und Jussi Tapola ist für nächste Saison ein Kandidat für den Job des finnischen Nationaltrainers.
